Fiktive Abrechnung

Fiktive Abrechnung

Tagtäglich passiert es. Jemand passt am Lenkrad seines Autos einen Augenblick lang nicht auf und schon ist an der Schlange vor einer Ampel oder beim Parken auf dem Supermarktplatz eine fremde Stoßstange eingedrückt, ein Kotflügel verbogen oder die Tür verschrammt. Doch nicht alle Unfallschäden werden repariert, obwohl die Versicherung für den Schaden zahlt. Was hat es mit dieser fiktiven Abrechnung auf sich?

Bernd Reich

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Abrechnung ohne Reparatur

Laut DAT-Report 2020 gab es im vergangenen Jahr an immerhin 17 Prozent aller Fahrzeuge Unfallschäden. Die 17 Prozent teilen sich laut DAT-Report in 7 Prozent nicht reparierte und in 10 Prozent reparierte Unfallschäden auf.
Bleibt die Frage, warum an 7 Prozent aller Fahrzeuge der Unfallschaden nicht repariert wurde.
Bei einem unverschuldeten Unfall hat der Geschädigte das Recht, dass sein Schaden von der
gegnerischen Versicherung ausgeglichen wird. Zugleich besteht die Option den Schaden an eine
Werkstatt abzutreten um den Schaden reparieren zu lassen oder den Schaden nach dem
vorliegenden Gutachten pauschal ohne Reparatur abrechnen zu lassen. Dies wird fiktive Abrechnung
genannt. Auch dazu kennt der DAT-Report interessante Fakten, denn bei ihrem letzten
unverschuldeten Unfall haben sich 64 Prozent der Befragten für einen Abtretung des Schadens an
ihre Werkstatt entschieden. Die übrigen 36 Prozent haben den Schaden fiktiv abgerechnet. Dabei
fällt auf, dass sich 45 Prozent der bis zu 29 Jahre alten Pkw-Halter für die fiktive Abrechnung
entschieden, aber nur 32 Prozent der über 50-Jährigen.

Vorteile der fiktiven Abrechnung

Für die fiktive Abrechnung sprechen aus Sicht der Geschädigten einige Punkte. Gerade die jüngeren
Autofahrer nutzen oft kostengünstige ältere Fahrzeuge. Eine Beule mehr fällt dabei nicht ins Gewicht,
aber ein Scheck von der Versicherung kann den nächsten Urlaub versüßen. Mancher Autofahrer ist
auch selbst handwerklich geschickt und repariert den Schaden selbst oder mit Bekanntenhilfe. Ganz
klar, nicht jeder Autofahrer legt auf die professionelle Reparatur seines Fahrzeugs nach einem Unfall
wert. So sieht man in Bayern immer wieder von Hagelschauern verdellte Autos, die noch viele Jahre
in diesem Zustand gefahren werden.
Die fiktive Abrechnung ist allerdings nicht frei von Einschränkungen. So kürzen die Versicherungen
den Betrag aus dem Gutachten um einige Posten wie die Mehrwertsteuer. Auch Mehrkosten für eine
Markenwerkstatt stehen gerne auf der Streichliste. Wenn jemand sein Auto selbst repariert und
dabei auf verdeckte Schäden stößt, die im Gutachten nicht berücksichtig wurden, kann er allerdings
auf die reguläre Abwicklung umschwenken.

Geld oder fachgerechte Reparatur?

Über den Sinn und die Risiken der fiktiven Abrechnung wird seit Jahren diskutiert. Schon mehrfach
mussten Gerichte korrigierend eingreifen. Zuletzt wurde auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar
Anfang 2020 über das Verfahren beraten. Kritiker sehen die Gefahr der leichteren Abrechnung
manipulierter Unfälle. Für das Gewerbe bedeutet die fiktive Abrechnung einen erheblichen
Umsatzausfall, Fachleute sehen die Gefahr von Billigreparaturen und manche empfinden eine
Abrechnung über ein Gutachten als Überkompensation eines Schadens, also die Besserstellung des
Geschädigten im Vergleich zur Situation vor dem Unfall.
Experten können der fiktiven Abrechnung allerdings auch positive Seiten abgewinnen. So ist die
Abrechnung schnell und einfach, die Mehrwertsteuer entfällt und es muss kein Integritätszuschlag
geleistet werden. Dies beschreibt das Recht des Geschädigten, dass sein Auto bis zu einer Grenze von
130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes repariert werden muss, wenn er es weiter nutzen will.

Auch zukünftig wird die fiktive Abrechnung für Diskussionen sorgen. Aber unter manchen Umständen
ist ihre Anwendung praktisch und sinnvoll. Und es muss sich jeder Pkw-Halter im Schadensfall genau
überlegen, ob ihm der Barbetrag auf dem Konto mehr wert ist als die fachgerechte Reparatur seines
Autos.

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